Seit Jahrzehnten ist die wachsende Altersarmut absehbar, allein schon wegen der Bevölkerungsentwicklung und zunehmend labiler Beschäftigungsbiografien. Trotzdem wurde das Rentenniveau für die jeweils kommenden Jahrgänge seit Norbert Blüm drastisch gekürzt bei gleichzeitiger Verlängerung des Renteneintrittsalters (letzteres ist nachvollziehbar). Im Ergebnis produzieren wir damit eine gewaltige künftige Altersarmut. Die kann man nur durch einen Systemwechsel verhindern.
Die Altersarmut wird übrigens auch deshalb so gewaltig, weil die große Zahl der Geringverdiener sich keine zusätzliche private Vorsorge leisten kann. Die ist sowieso deutlich unsicherer als die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung wie vergangene Finanzkrisen beweisen.
An der Altersarmut wird auch die Grundrente wenig ändern, die die GroKo sich abgerungen hat. Mit den avisierten Summen kann man vielleicht auf dem Land überleben bei niedrigen Mieten und eigenem Gemüsegarten, aber nicht in Städten, wo teilweise mehr als die Hälfte der Rente allein für das Wohnen ausgegeben werden muss. Die sog. Respektrente ist deshalb keine Lösung. Es wird weiter an der Rente herumgedoktert. Vor allem aber wird nichts getan, um zumindest mittel- bis langfristig Armut im Alter gar nicht erst eintreten zu lassen oder den Trend dahin zumindest umzukehren.
Der Grund dafür ist einfach und nachvollziehbar, aber dennoch inakzeptabel: Die Angst vor einem grundlegenden Systemwechsel – vor allem bei der Rentenfinanzierung.
Klar ist nach allen Prognosen, dass die Rentenversicherung in gut einem Jahrzehnt in finanzielle Turbulenzen geraten wird – auch ohne eine angemessene Grund- oder Mindestrente.
Eine Grundrente müsste etwas unterhalb eines Mindestlohnes von 12 oder mehr Euro liegen – also eher bei 2.000 Euro und damit etwa doppelt so hoch wie die GroKo-Grundrente. Die Rente für langjährige Arbeitnehmer oder Selbständige sollte diesen Betrag natürlich deutlich übersteigen. Andere Länder wie die Niederlande schaffen das auch. Bei uns wagen das die Politiker offenbar nicht einmal als Ziel zu formulieren.
Übrigens gehören natürlich zur Sanierung der Rentenfinanzen auch eine gezielte Eindämmung prekärer Arbeitsverhältnisse, die deutliche Anhebung des Mindestlohns, die konsequente Bekämpfung von organisierter Schwarzarbeit und der Hinterziehung von Sozialbeiträgen.
Mehr Mut für einen Systemwechsel bei der Rente
Um wirkungsvolle Maßnahmen gegen Altersarmut kurzfristig finanzieren zu können, müssten alle arbeitenden Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Das ist zumindest auch im linken politischen Spektrum unbestritten. Das geht natürlich nur schrittweise, weil man kaum in bestehende Privatvorsorge oder Beamtenpensionen eingreifen kann.
Bei geltendem Rentenrecht hätte das zudem den Nachteil, dass die meisten der neu in die Rentenversicherungspflicht einbezogenen Beamten und Selbständige später nach geltendem Recht hohe Renten erhalten würden. Das Finanzierungsproblem der Rentenversicherung würde also damit langfristig nicht gelöst, sondern eher verschärft. Kurzfristig allerdings hätten die Rentenversicherungen Mehreinnahmen, die eine oben beschriebene, ausreichende Grundrente (mit)finanzieren könnten.
Benötigt werden aber zusätzliche, dauerhafte Mehreinnahmen der Rentenversicherungen. Der einfachste Weg ist, die Beitragsbemessungsgrenze drastisch anzuheben, Rentenbeiträge im Extremfall auf das gesamte Einkommen zu erheben. Das sollte degressiv gestaltet werden: Z.B. sinkender Beitragssatz ab Jahreseinkommen von 150.000 € und mehr. Das würde kurz- und mittelfristig alle Finanzprobleme beheben (und hätte den angenehmen Nebeneffekt, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich wieder etwas schließen könnte). Langfristig hätte es denselben Nachteil wie die Einbeziehung der gesamten arbeitenden Bevölkerung in die Rentenversicherung: Hohe spätere Renten würden die Rentenkassen erheblich belasten. Die Politik hätte aber Zeit gewonnen, um diesen Effekt zu verhindern.
Dafür muss es ein zusätzliches Instrument geben. Es bieten sich drei Lösungen an:
- Es wird eine Höchstrente definiert, die unabhängig ist von der Höhe der gezahlten Rentenbeiträge.
- Zumindest eleganter wäre die Nichtberücksichtigung des Arbeitgeberanteils bei der späteren Rentenberechnung ab einem bestimmten Einkommen von z.B. 150.000 €. Arbeitgeberanteile müssen ja nicht zwanghaft als eigene Beiträge gewertet werden.
Der erste Vorschlag dürfte ohne Grundgesetzänderung am Bundesverfassungsgericht scheitern, der stets eine angemessene Verzinsung der eingezahlten Beiträge verlangt. Beim zweiten Vorschlag scheint mir das noch nicht ganz ausgemacht. Aber was eigentlich hindert die Politik, nach 70 Jahren das Grundgesetz so zu ändern, dass wir in der heutigen, völlig anderen Situation in der Lage sind, Altersarmut gezielt und wirkungsvoll zu bekämpfen?
- Der Rentensoli für einen Rentenfonds.
Wenn die Politik diese beiden Vorschläge nicht aufgreift, bleibt nur die Steuerfinanzierung für eine langfristige Sicherung der Rentenfinanzen. Das wäre dann eine Umkehrung des Prinzips, dass die Politik der Rentenversicherung neue rentenfremde Lasten auferlegt (z.B. Mütterrente, Grundrente, Rente nach 45 Beitragsjahren), die Finanzierung unfairerweise aber ganz oder teilweise den Beitragszahlern überlässt. Es müsste also einen Soli-Zuschlag für die Rente geben, der aus Gerechtigkeitsgründen nur bei Besserverdienenden und Unternehmen erhoben wird. Das ist auch insofern berechtigt als dass sie im Gegenzug Beitragserhöhungen vermeiden.
Das Geld müsste grundgesetzlich geschützt sein und so dem Zugriff der Politik für andere Zwecke entzogen werden (weil es ja bisher keine zweckgebundenen Steuern gibt). Je nachdem, ab welchem Einkommen und in welcher Höhe der Rentensoli erhoben wird, könnte dies das gesamte Rentenniveau spürbar anheben und so weitgehend armutsfest machen – und natürlich auch eine ausreichende Grundrente finanzieren.
Glückwunsch zum neuen Blog!
Wichtige Anregungen mit denen wir uns ernsthaft auseinandersetzen sollten!